Sag doch mal: Schluss mit Hinterzimmerpolitik!

Unsere nächste Ausgabe von #Sagdochmal kommt von unserem ehemaligen stellv. Landesvorsitzenden für Programmatik Roland Fink – er kommt zwar nicht aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, doch sein Anliegen ist aktueller denn je. Sein Thema bezieht sich auf die Gewaltenverschiebung, die wir durch die aktuelle Corona-Politik immer öfter erfahren. Die heutige Ministerpräsidenten-Konferenz ist nur ein Anzeichen dafür.
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„Als eine der ersten Maßnahmen in der Coronakrise wurden im März 2020 Notstandsrechte der Bundesregierung für den Fall einer „pandemischen Lage nationaler Tragweite“ geschaffen. Ein Detail ist dabei heute etwas in Vergessenheit geraten: Der Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn sah vor, dass die Bundesregierung den Notstand ausrufen und auch nur die Bundesregierung den Notstand beenden kann. Ein Glück, dass die Regierung zu diesem Zeitpunkt noch auf möglichst großen Konsens mit den demokratischen Parteien und Fraktionen aus war. Denn mit der FDP wäre eine Selbstermächtigung der Regierung ohne dass das Parlament diese rückgängig machen kann in tausend kalten Wintern nicht zu machen.
Diese Volte ist symptomatisch für eine immer stärkere Machtverschiebung aus dem Bundestag in die Bundesregierung. Man sollte meinen, dass der Gesetzgeber die Gesetze macht. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde der Bundestag immer stärker zum Abnicker der Gesetzesvorschläge der Bundesregierung gemacht.
Das Initiativrecht des Bundestags kommt kaum zur Geltung, weil erstens Fraktionszwang und zweitens Koalitionsdisziplin gilt, obwohl natürlich im Grundgesetz steht dass Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind. Historisch hat die verschärfte Koalitionsdisziplin Gerhard Schröder ersponnen. Er hielt die Grünen für keinen zuverlässigen Koalitionspartner und lies deshalb im Koalitionsvertrag unterschreiben, dass die Regierungsfraktionen immer gemeinsam abstimmen.
Eine Selbstentmachtung der Abgeordneten, die sich bisher in jedem weiteren Koalitionsvertrag wiederholt. Das heißt, dass gegen den Willen der Regierung nichts passiert.
Dass nun die Coronabeschlüsse komplett am Parlament vorbei besprochen und vorbeschlossen werden ist damit im Wesentlichen nur die nächste Umdrehung dieser Machtverschiebung, welche die Demokratie aushöhlt.
Die Kontrolle der Regierung wiederum erfolgt überwiegend durch die Medien statt durch das Parlament – was in gegenseitiger Wechselwirkung absurde Blüten treibt. Da die Arbeit im Bundestag inzwischen ohnehin als zweitrangig angesehen wird, interessieren die Zuständigkeiten in den Fraktionen auch nur noch bedingt. Dadurch wiederum ist für den Wähler kaum mehr ersichtlich, wofür die Parteien und Fraktionen jeweils als Ganzes stehen.
Das beste Beispiel hierfür ist Karl Lauterbach. Er sitzt in jeder Talkshow, in der es auch nur am Rande um Gesundheitspolitik geht, hat aber seit einem Jahr im Bundestag nicht gesprochen. Die Fraktionsposition der SPD vertritt er nur selten. Warum sollte er auch? Er ist nicht ihr gesundheitspolitischer Sprecher, er ist nicht im Fraktionsvorstand, er sitzt nicht einmal im Gesundheitsausschuss, sondern im Rechtsausschuss und als stellv. Mitglied im Finanzausschuss.
Die Lösung für diese Probleme liegt in dreierlei Stoßrichtungen.
Erstens müssen die Bürger die Abgeordneten auffordern, ihr Selbstbewusstsein wieder zu finden. Davon sind wir momentan weit entfernt, die Grünen im Bundestag wollen nicht einmal eine Sondersitzung vor möglichen neuen Corona-Verschärfungen.
Zweitens sollten wieder sehr viel weniger Bundestagsabgeordnete der Regierung angehören. Es gibt aktuell 39 Bundesbeauftragte, Beauftragte und Koordinatoren der Bundesregierung, die weit überwiegend mit Abgeordneten besetzt sind, 36 parlamentarische Staatssekretäre und 10 Kabinettsmitglieder die nebenbei im Bundestag sitzen. Auch das erhöht die Durchsetzungskraft der Regierung im Bundestag.
Drittens, und das ist wahrscheinlich die wirksamste Methode, würde Deutschland eine Minderheitsregierung sehr gut tun. Denn dann müsste man wirklich wieder Abgeordnete überzeugen, man müsste im Parlament Debatten führen und die parlamentarische Mehrheit, die dann nicht bei den Regierungsfraktionen liegt, könnte eine wirksame Kontrolle der Exekutive vornehmen.“